Begräbnis

Vor einiger Zeit (tatsächlich war es im April, aber das Erlebte bewegt mich immer noch) wurde ich zu einer Beerdigung eingeladen. Eingeladen bedeutet: in Kenntnis gesetzt. Sobald man über den Verlust Bescheid weiß, entspricht das einer Einladung. Die Trauerfeier fand an einem Gelände unweit des Friedhofs statt. Die Gebäude werden von der Dorfgemeinschaft instand gehalten, es trifft letztlich jeden einmal. Bei der Feier gibt es dann die Möglichkeit seine Anteilnahme in Form eines Geldgeschenks auszudrücken, die Unkosten für das Essen, das Grab und Sarg müssen von der Familie irgendwie gedeckt werden. Ich wollte dort hin gehen, weil unser Nachbar ein Enkelkind verloren hatte. Die Eltern leben nicht am Ort, ich kannte weder diese noch das Kind. Das Kind war das mittlere von drei, es war vier Jahre alt.

Nachdem Carolyne, unsere liebe Hilfe im Haushalt (und Tischgenossin und Nanny und …), mit war, konnte sie mir immer wieder ein paar Sachen aus den Ansprachen und auch sonst das Geschehen vermitteln. So hat sie mir ein paar Stücke aus der Ansprache des Pfarrers übersetzt. Dieser ist nicht vom Ort, und meine Vermutung ist die, dass er deshalb einen größeren Freiheitsgrad in seiner Direktheit hat. So hat er das spiritistische Zentrum, das nur ein paar Meter weg von den Feier gelegen ist, und die Leute die dort zu Ihren Ahnen beten angegriffen: „Kennt ihr eure Großeltern nicht, dass ihr sie dort anruft?“ Er hat die Bedeutung von Kisooba („langsam“) als Aufhänger für einen Witz auf Kosten der Dorfgemeinschaft verwendet. Überhaupt lag der Schwerpunkt hier weniger auf Trauer und mehr auf Feier. Die Hoffnung, genährt vom Glauben auf eine Auferstehung der Toten und eine Ewigkeit im Angesicht eines liebenden Gottes, war hier spürbar stärker als die erdrückende Tatsache des frühen Todes eines Kindes.

Für mich war die, soweit ich es beurteilen kann, echte Kraft und Hoffnung, die der Vater in seiner Ansprache an den Tag brachte, schwer zu fassen. Was mich an dem Tod so fertig gemacht hat, war die Ursache für den Tod. In Uganda ist eine Impfung gegen Masern kostenlos. Trotzdem erlag das Kind den Folgen dieser Viruserkrankung. In Deutschland ist die Masernimpfquote ebenfalls zu niedrig, um das Ziel einer weltweiten Elimination bis 2020 zu erreichen (Robert-Koch-Institut). Von den 89.780 in 2016 an Masern gestorbenen Menschen waren die Mehrheit Kinder unter fünf Jahren (WHO). Der Vater des Kindes hat in seiner Ansprache auch gesagt, er habe noch zwei weitere Kinder und seine Frau sei noch jung, könne also noch weitere bekommen.

Es ist keine zwei Wochen später zum nächsten Todesfall in genau dieser Familie gekommen. Das jüngste Kind ist ebenfalls in Folge von Masern gestorben. Wie ich erfahren habe, waren dieses Mal mehr Besucher beim Begräbnis anwesend. Die ungewöhnliche Stärke der Eltern und die für Beerdigungen hier seltene Unbeschwertheit hat einige neugierige Zaungäste angezogen. Ich wollte diesesmal nicht mehr zum Begräbnis. Ich hätte nicht gewusst, wie ich mit der Situation richtig umgehen soll.

Am Grab stehend habe ich diesen Gesang gehört und musste weinen, auch wenn ich die Worte nicht verstand.

Tuli yambala engule mu Jerusalemi empya (Wir werden eine Krone tragen im neuen Jerusalem).

Tayinza kundekawo Yesu wange ali nange (Er wird mich nicht allein lassen, mein Jesus ist mit mir).

Gegen Ende des Liedes hört man wie das gemauerte Grab mit einem Betondeckel geschlossen wird. Der Beton wird an Ort und Stelle angerührt und aufgetragen.